Und weiter aus Calanda, ebenfalls in Aragon: "Von den 4500 Einwohnern des Ortes gehörten 3500 der anarchosyndikalistischen Organisation an. Sie haben 'gleich nach der Bewegung' - wie sie sich ausdrücken und womit sie den 19. Juli und die darauf folgenden Tage meinen - 'die alte Gesellschaftsordnung beseitigt und durch den Kollektivismus ersetzt'. Das Geld wurde natürlich auch abgeschafft und alles nach sozialistischen Grundsätzen geordnet. Vor der 'Bewegung' gab es nur Anarchisten im Orte. Nachher aber begünstigten die Anarchisten selbst die Bildung von republikanischen und sozialistischen Gruppen. Jeder soll zu seiner Freiheit und zu seinem Recht kommen ... Zwischen den Kollektivisten und den Individualisten (die sich der Kollektive nicht angeschlossen haben) herrscht gutes Einvernehmen. Der Ort hat zwei Kaffeehäuser. Eines davon gehört den Kollektivisten. Dort nehmen die Mitglieder der Kollektive ihren Kaffee unentgeltlich ein. Im anderen Kaffeehaus müssen die Individualisten ihren Kaffee bezahlen. Die Hauptproduktion des Ortes ist Olivenöl. Im vergangenen Jahre hatte man eine Ausbeute von 1750 Tonnen Olivenöl. Man baut auch Kartoffeln, Weizen und Wein an und züchtet Obst. Die syndikalistische Verwaltung ist sparsam. Die Überschüsse aus der Kollektive werden an die Gemeinde abgeführt. ...
Die Lebenshaltung der Bevölkerung hat sich nach der Kollektivierung gehoben. Die Landarbeiter hatten vorher nicht einmal die Mittel, um sich einmal wöchentlich rasieren zu lassen. Die Kollektive hat eine Rasierstube mit Haarschneidesalon eröffnet. Da kann jeder Kollektivist sich zweimal wöchentlich gratis rasieren lassen ... Täglich werden vierzig Personen mit Kleidungsstücken verschiedener Art versehen. Jeder erhält, was er braucht. Arzt und Medizin sind gratis. Auch Briefporto wird von der Kollektive bezahlt. Der Stolz der Kollektive ist die neue Ferrer-Schule im ehemaligen Klostergebäude des Ortes. Vorher gab es nur acht Lehrer am Orte. Nur die Kinder der Wohlhabenden konnten zur Schule gehen. Nach dem 19. Juli wurde das anders ... Von der Lehrergewerkschaft aus Barcelona wurden zehn Lehrer angefordert. Schulmaterial wurde angeschafft, Bänke und Stühle von den Kollektivisten selbst freiwillig und kostenlos hergestellt. Nun können alle 1233 Kinder des Ortes die Schule besuchen ... Der syndikalistische Gemeinderat beschloss, dass nunmehr keine Mieten mehr zu zahlen sind ... Die Häuser werden von der Gemeinde verwaltet und Reparaturen auf Kosten der Gemeine, d.h. der Kollektive, vorgenommen. Wasser und elektrisches Licht sind für die gesamte Bevölkerung gratis, auch für die 'Individualisten' ... Die Feldarbeiten werden gemeinschaftlich organisiert. In Zehnergruppen ziehen die Kollektivisten jeden Morgen gemeinsam zur Arbeit aus. Alle betrachten sich als Mitglieder einer grossen Familie..."
Schwierigkeiten - Zerschlagung
Den Kollektiven blieben trotz ihrer unbestreitbaren Erfolge nur eine kurze Zeit in der Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs. Die soziale Revolution, die untrennbar zum Widerstand der Mehrheit des spanischen Volkes gegen den Faschismus gehörte, wurde mit zunehmender Dauer des Krieges sowohl von innen, als auch von aussen bedroht und letztendlich blutig niedergeschlagen. Ohne die Begeisterung, mit der die Menschen ihr Leben in die eigene Hand nahmen, ohne das "heilige Feuer" für die Soziale Revolution war ein Sieg gegen Franco nicht möglich. Die Menschen kämpften nicht für einen republikanischen Staat, "sie wollten das Himmelreich auf Erden".
Schon im September 1936 begannen republikanische und kommunistische Kräfte der Volksfrontregierung mit der Eindämmung der Sozialen Revolution. Die von der CNT / FAI verbreitete Parole "Während der Krieg geführt wird, muss die Soziale Revolution durchgesetzt werden" fand bei den Republikanern und Kommunisten - die formell die Regierung des republikanischen Spaniens stellten - wenig Anklang, da für sie allein die bürgerlich-republikanische Staatsform zu verteidigen war. Zu Beginn der Spanischen Revolution war diese Regierung aber so schwach gewesen, dass sie keinerlei Entscheidungs-befugnisse hatte. Die Macht lag zumindest in Katalonien - dem entscheidenden Wirtschaftszentrum Spaniens - in den Händen der bewaffneten Arbeiter: den Gewerkschaftsmilizen der CNT / FAI, der UGT und der kleinere POUM (Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung) und auf dem Land, in kleineren Städten und in den Dörfern bei den Komitees und Räten. Nach und nach wurde den Arbeitern und Bauern mit der Gründung des "Zentralkomitees der Milizen" (eine Art Zentralregierung) aber die Macht aus den Händen gerissen. Verkürzt könnte man sagen, dass die Gewerkschaftsfunktionäre der CNT / FAI sich mit der Beteiligung am "Zentralkomitee" der faktischen Macht in Katalonien, die durch die (anarcho-syndikalistischen) Räte ausgeübt wurde, berauben liessen. Durch einen eigenartigen Verteilungsschlüssel waren im "Zentralkomitee der Milizen" alle politischen Gruppierungen zahlenmässig gleich vertreten, was bedeutete, dass die mächtige CNT / FAI genauso viel Anteil an der Macht besass, wie die "blutarme" katalanische UGT. Die Erklärung für das Verhalten der CNT / FAI ist komplex, zum einen lehnte die CNT / FAI aus Überzeugung jegliche Form von Diktatur ab (als Schreckgespenst schwebte ihnen der stalinistische Terrorsozialismus vor Augen), zum anderen erhoffte sie sich, Vorteile in anderen Landesteilen aus ihrem Verzicht auf die Macht in Katalonien. Dieses Verhalten war aber nicht zwingend, da das entscheidende Wirtschaftszentrum in Händen der Arbeiter war und gegen die CNT / FAI keine Entscheidung zu treffen war.
Treffen der CNT / FAI nach dem Sieg über das Militär