Der spanische Bürgerkrieg 1936-1939: Ein graues Kapitel der Geschichte. Kaum einer der Nach-68er-Generation, der von diesem Krieg überhaupt weiss, oder mehr als zwei (mehr oder weniger zutreffende) Schlagworte damit verbinden kann. Eventuell weiss man, dass berühmte Schriftsteller wie etwa Ernest Hemmingway oder George Orwell als Kriegsfreiwillige am Spanischen Bürgerkrieg teilnahmen. Wofür die Menschen aber damals in Spanien gekämpft haben weiss man nicht. Und diese Geschichte wird kaum erzählt. Denn über den Spanischen Bürgerkrieg lässt sich nicht reden, ohne die konstruktiven Elemente und die praktische Bewährung einer sowohl dem Kapitalismus als auch dem Staatssozialismus sowjetischer Prägung konträren Gesellschaftsform zu erwähnen, einer Gesellschaftsform, die selbst unter Kriegsbedingungen zeigen konnte, dass sie wesentlich produktiver und vor allem menschlicher als die Herrschaft des Kapitals oder der kommunistischen Bürokratie ist: der Anarchismus.
Der Begriff des Anarchismus wird üblicherweise als ein Zustand des totalen Chaos verstanden. Definitionsgemäss bedeutet er jedoch die Idee einer herrschaftsfreien und gewaltlosen Gesellschaft, in der Menschen ohne politischen Zwang und Herrschaft gleichberechtigt und ohne Standesunterschiede miteinander leben. Im Standardwerk der Geschichtsschreibung (Propyläen Weltgeschichte in 10 Bänden), wird die Geschichte des Spanischen Bürgerkrieges stark vereinfacht und somit grob verfälscht wiedergegeben. Das dtv-Lexikon in 20 Bänden erwähnt auf 40 Zeilen unter dem Stichwort "Spanischer Bürgerkrieg" immerhin die Beteiligung einer "syndikalistischen" Gewerkschaftsorganisation (die anarcho-syndikalistische CNT), die bei der Verteidigung der Republik mitwirkte, wohingegen Meyers Grosses Taschenlexikon in 24 Bänden es fertig bringt, die Anarchisten und den Widerstand der Arbeiter in einem Text von 100 Zeilen mit keinem einzigen Wort zu erwähnen, obwohl als Literaturhinweis mit Augustin Souchys "Nacht über Spanien" das Hauptwerk der anarchistischen Geschichtsschreibung über den spanischen Bürgerkrieg an erster Stelle genannt wird. Grundtendenz der vorherrschenden Geschichtsschreibung ist die Reduzierung des Spanischen Bürgerkriegs zu einem Vorspiel des zweiten Weltkrieges, das durch die Beteiligung der UdSSR auf republikanischer Seite und des faschistischen Italiens und national-sozialistischen Deutschlands auf Seiten der aufständischen Franco-Truppen zum "ersten grossen Schlachtfeld der neuen politischen und weltanschaulichen Fronten in Europa wurde".Dass auf die Beteiligung der Anarchisten am Spanischen Bürgerkrieg nicht eingegangen wird, ist deshalb so merkwürdig, weil der Militärputsch unter General Franco innerhalb weniger Wochen erfolgreich gewesen wäre, hätten nicht die Arbeiter, deren grösste Organisation die anarcho-syndikalistische Gewerkschaft CNT (Confederación Nacional del Trabajo) war, erbitterten Widerstand geleistet und damit die Militäraktion erst zu einem Bürgerkrieg gemacht. Wobei die anarchistischen Arbeiter es nicht beim Bürgerkrieg beliessen, sondern in der kurzen Zeit, die ihnen bis zu ihrer gewaltsamen Niederschlagung verblieb, eine der umfassendsten sozialen Umwälzung in der uns bekannten Geschichte begannen. Die vergangenen Tage der Spanischen Revolution haben uns auch heute noch etwas zu sagen, wir können aus ihnen lernen und Folgerungen für unsere Gegenwart und Zukunft ziehen.