ALTERNATIVE GESELLSCHAFTSENTWÜRFE:

Spanien 1936 - 1939 (5)

Beginn der Revolution


In den Gebieten, in denen sie triumphierten, liessen die Arbeiter sich die historische Chance zur proletarischen Revolution nicht entgehen: Sie hatten ihr Leben verteidigt, sie hatten ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen. Eine der ersten Taten der anarchistischen Arbeiter war die Ausräucherung der Kirchen und Klöster. Diese wurden in Gemeinschaftsräume (in Krankenhäuser, in Lagerstätten...) umfunktioniert. Die Menschen wussten schon lange vorher, dass die Kirche und die Priester ihre Feinde waren, nachdem diese sich aber zu Beginn des Aufstandes unmissverständlich an die Seite der herrschenden Klasse gestellt hatten, riss der Geduldsfaden der Massen. Ebenfalls sofort im Anschluss an die Niederschlagung des Aufstandes der Generäle begannen die Arbeiter damit, alle Wirtschaftszweige zu kollektivieren. Jetzt endlich sollten die Forderungen nach "Land und Freiheit" Wirklichkeit werden:


Verkehrsbetriebe, Telefongesellschaften, Dienstleistungsbetriebe, Kinos, die Landwirtschaft wurden unter die Kontrolle der Arbeitenden gestellt. Die Fabrik- und Grossgrundbesitzer, die ehemaligen Herren wurden verjagt, sofern sie Widerstand leisteten bekämpft, oder soweit sie kooperationswillig waren in den Fabriken weiterbeschäftigt- zu ganz normalen Löhnen.


Auf dem Land - vor allem in Aragón, Katalonien, in der Levante und Kastilien - wurde ebenfalls kollektiviert: die Grundbesitzer wurden verjagt und das Land wurde gemeinschaftlich bewirtschaftet. Die bäuerlichen Gewerkschafts-organisationen der CNT und UGT hatten sich auf eine genossenschaftliche Bewirtung des Landes verständigt, allerdings bestanden sie auf die Freiwilligkeit der Beteiligten (eine Tatsache die Souchy ständig bemüht ist zu betonen). Um die Frage der Freiwilligkeit der Kollektivzugehörigkeit gab (und gibt) es erbitterten Streit, vor allem die Kommunisten betonten in ihrer Propaganda den Zwangscharakter, während von anarchistischer und sozialistischer Seite stets auf die Freiwilligkeit des Beitritts verwiesen wurde. Fest steht zum einen, dass ohne die gewaltsame Vertreibung und Hinrichtung der Grossgrundbesitzer (die vor allem der Anarchist Buenaventura Durruti und seine Kolonne durchführten) die Revolution überhaupt nicht stattfinden konnte, deswegen von Zwang für die Bauern zu sprechen ist aber wohl kaum statthaft. Zum anderen steht aber auch fest, dass der Widerstand gegen die Kollektive von Seiten der Bauern im Laufe des Krieges wuchs, was aber im Wesentlichen auf die kriegsbedingt schwieriger werdende Versorgungslage zurückzuführen ist.


In der Anfangszeit der Revolution konnten die Kollektivbetriebe jedoch durch das blosse Beispiel überzeugen: Iin den Kollektiven wurde ein höheres Lebensniveau erreicht, die Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung der einzelnen Mitglieder wurden verbessert, vorhandene Maschinen wurden effizienter eingesetzt, die Produktivität konnte erheblich gesteigert werden. Einen Stimmungsbericht aus den Kollektiven in Aragon gibt der Augenzeuge Augustin Souchy: "Von den 4000 Einwohnern des Ortes Alcoriza, traten 3700 freiwillig der anarchosyndikalistischen Kollektive bei. (...) Die neue Gemeinde wurde auf freiheitlich kommunistischer Basis aufgebaut. Wein und Gemüse wurden gratis verteilt. Jeder erhielt davon, wie viel er wollte. Da Fleisch knapp war, gab es 150 Gramm täglich pro Person. Als man den Kommunismus einführte, verteilte man an jeden Kollektivisten ein Schwein und zwei Hühner. Damit hatten sie etwas für den eigenen Haushalt. Die Kaninchenzucht war frei. Das Geld war abgeschafft worden. Der Handel mit der 'Aussenwelt' lag in den Händen des kollektivistischen Wirtschaftsrates. Der Rat hatte eine Wurstfabrik errichtet, in der täglich 500 Kilogramm Wurstwaren hergestellt wurden. Die Würste gingen an die Front für die Milizionäre. Auch eine kleine Schuhfabrik und eine kollektivistische Schneiderei wurde eröffnet. Täglich wurden 50 Paar Lederschuhe und 100 Paar Zeugschuhe hergestellt. Auch davon ging ein grosser Teil an die Front für die antifaschistischen Kämpfer. Bekleidungsstücke waren für alle vorhanden. Der kollektivistische Wirtschaftsrat hatte aus dem Erlös der verkauften Wurstwaren von den kollektivistischen Textilfabriken in Katalonien Stoffe gekauft. Die Kollektivschneiderei verfertigte gratis für die Männer Anzüge und für die Frauen Kleider. Niemand erhielt Lohn, doch niemand brauchte etwas zu kaufen. Alles was die Kollektivisten benötigten, erhielten sie von der Kollektive gratis. 'Sagt mal, Genossen! Wenn da jeder einfach hingeht und sich holt, was er braucht, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen, kommt es da nicht zu Übertreibungen? Gibt es nicht welche, die diese Situation ausnützen?' 'Hier kennt einer den anderen. Wir wissen sehr gut, wer etwas nötig hat und wer nichts braucht. Bis jetzt haben wir noch keinen Fall von habsüchtigem Egoismus gehabt. Wer darauf ausginge, die Kollektive zu betrügen, wäre in der Gemeinschaft unmöglich. Man würde mit dem Finger auf ihn zeigen. Für jeden erscheint es eine Ehrensache, in uneigennütziger Weise am gemeinsamen Werke mitzuarbeiten. Jeder bekommt was er braucht, solange etwas da ist. Vertrauen wird gegen Vertrauen gesetzt. Ausserdem wird niemand gezwungen der Kollektive beizutreten. Unser Kommunismus beruht auf dem Prinzip der Freiheit. Wir zwingen keinem das neue System auf. Jeder kann unsere Handlungen in aller Öffentlichkeit kritisieren."

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