Die Urvölker der Andamanen Inseln 3

Kein Eigentum, kein Handel, keine Chefs


​Obwohl sich die andamanesischen Inseln im asiatischen Erdteil befinden, ähneln die kleinwüchsigen Ureinwohner anatomisch den Afrikanern, was darauf schliessen lässt, dass sie direkte Nachkommen der ersten afrikanischen Migrationswelle von Homo sapiens vor etwa 70'000 Jahren sind und seither kaum genetische Kontakte zwischen ihnen und den umliegenden Völkern stattgefunden haben. Sie stellen somit eine absolut einzigartige Entwicklungslinie der Menschheit dar. Die äusserst primitive soziale und technologische Entwicklungsstufe zeichnet sich aus durch kleine Gruppen, einfache Technologien, geringe Arbeitsteilung (mit Ausnahme derjenigen zwischen Mann und Frau), Abwesenheit von sozialen Hierarchien, und das Fehlen einer schriftlichen Sprache.


Eines der erstaunlichsten Eigenschaften ist zum Beispiel die Tatsache, dass die einzelnen Gruppen oder Untergruppen kaum Kontakte untereinander pflegten, mit der Folge, dass sie zum Teil gänzlich verschiedene Sprachen entwickelten. Ihr geografischer Horizont war äusserst eingeschränkt: Mitglieder einer Gruppe wussten nichts von der Existenz anderer Gruppen, die weniger als 30 km entfernt lebten. Sie hatten keinerlei Bewusstsein entwickelt, einer grösseren Menschengemeinschaft zuzugehören, im Gegenteil. Sollte das Mitglied einer Gruppe unversehens mit seinem Kanu abgedriftet und auf fremdem Gebiet gestrandet sein, war sein Schicksal so gut wie besiegelt. Es wäre ihm nicht anders als irgendeinem fremden Schiffbrüchigen ergangen: er hätte den sicheren Tod gefunden. Für die einzelnen Gruppen stellten die Jagd- und Fischereigründe ihr einziges, hochgeschätztes Eigentum dar, von dem ihr Überleben abhängte. Die meisten Grenzen zwischen den Gebieten waren seit Urzeiten bestimmt, sie waren unveränderbar und allen bekannt. Ein Übertritt konnte zu blutigen und lang andauernden Fehden zwischen Nachbarn führen.

Accompanied by a large groupe of Jarawas, the outside visitors are welcomed in the settlement of the tribe. Since the making of this film in the year 1993 the relation between the Jarawas and outside visitors has increasingly deteriorated. After around 2004 the Jarawa have returned to their old way of life but maintain a distant but not hostile (as long as they are not pressed) attitude to the Indian population outside their reservation. Like a swarm of crickets, the Jarawas fall upon the visiting boat that is loaded with coconuts. Note the speed with which the red headscarfs of the indian visitors are being taken away, as Jarawas are fond of red coloured tissues. Nevertheless, no rivalry can be observed in-between the Jarawas themselves, as all the yield will be shared by the whole group.

Alle Menschen, was immer ihre Zivilisationsstufe sein mag, fürchten sich vor der Dunkelheit. Den Andamanern erging es nicht anders. Für sie war die Nacht eine Zeit erhöhter Gefahren, in der böse Geister ihr Unwesen trieben. Der einzige Schutz gegen die Dunkelheit war das Versammeln der Gemeinschaft rings um einer glühenden Feuerstelle. Jedes Kind, welches je an einem Pfadi-Lager teilgenommen hat, weiss, wie sich die Andamaner gefühlt haben. Deshalb wird man sich nicht wundern zu erfahren, dass sie nachts weder reisten, noch jagten oder sich bekriegten. Sogar Jagdscharen, die sich für einen kurzen Nachtschlaf zur Ruhe legten, versuchten - wenn immer möglich - ein Lagerfeuer zu entfachen. Zu diesem Zweck trugen sie stets einen Behälter mit glühender Holzkohle bei sich, da sie nicht in der Lage waren, Feuer selber zu entzünden.


Alle ihre Gebrauchsgegenstände wie Bekleidung, Werkzeuge, Waffen, fertigten sie mit einfachen Materialien wie Holz, Steine, Pflanzen, Knochen und Muscheln an. Die Seemannskunst war wenig entwickelt, mit simplen Einbäumen gelang es ihnen, sich höchstens einige Kilometer von der Küste zu entfernen oder eine nahe gelegene Insel zu erreichen. Wegen ihrer geografischen Isolation, ihrem extremen Konservatismus, dem eisernen Festhalten an ihrer Tradition und der Feindseligkeit gegenüber Fremden ging die neolithische Revolution spurlos an ihnen vorbei.


Vieles von dem, was in modernen Gesellschaften als selbstverständlich gilt, war bei den traditionellen Andamanern unbekannt, so zum Beispiel der Begriff des Eigentums. Dieser beschränkte sich auf persönliche Effekte, wie Pfeil und Bogen, Harpune, Töpfe, Netze, Stricke und Ähnlichem. Es gab keinerlei Ansammlung von Reichtümern und praktisch keine Unterschiede zwischen den Individuen in Bezug auf materielle Besitztümer. Unter diesen Umständen gab es auch keinen Diebstahl, aber wenn ein solcher stattfand, war es eine ernsthafte Angelegenheit. Während einer erfolgreichen Jagd war derjenige der Besitzer des Jagdgutes, dessen Pfeil oder Harpune die Beute als erster getroffen hatte. Der- oder diejenige, die einen Bienenstock gefunden hatte, war dessen Besitzer, wenn er oder sie auf den Baum geklettert war, und den Stock heruntergeholt hatte. Das gleiche Prinzip fand Anwendung in allen Fällen, in denen jemand etwas innerhalb der Jagdgründe des Stammes erlegte, einfing, ausgrub oder sammelte. Vom glücklichen Besitzer der Nahrungsmittel wurde erwartet, dass er diese mit denjenigen teilte, die nichts oder wenig hatten. Das Ergebnis war eine relativ ausgewogene Verteilung von verfügbaren Nahrungsmitteln innerhalb des Stammes. Grosszügigkeit gegenüber Mitgliedern des eigenen Stammes sowie befreundeten Stämmen wurde hoch angesehen.


Auch die Vorstellung vom Handel war den Andamanern fremd. Für eine radikale Jäger- und Sammlerkultur, wie es die Urbewohner der Anamanden waren, besteht aufgrund der Selbstversorgung wenig Druck, mit der Aussenwelt Handel zu treiben. Im Alltag gab es anstelle einen Brauchtum des Schenkens und Geschenktwerdens, welche zu einer Art Verpflichtung führte. Nicht nur an speziellen Anlässen, sondern auch im täglichen Leben der lokalen Gruppe wurden fortwährend Geschenke ausgetauscht. Alle beweglichen Güter wie Kanus oder sogar die Schädel von Vorfahren konnten zu diesem Zweck benutzt werden. Niemand durfte ein Geschenk ablehnen. Es wäre auch der Gipfel der Geschmacklosigkeit gewesen, wenn einem ein Gegenstand verweigert würde, den er speziell ersehnte. Allerdings musste bei jedem Geschenk ein Gegengeschenk erbracht werden, dessen materieller oder immaterieller Wert einigermassen vergleichbar war. Die Andamaner sahen den Austausch von Geschenken als eine moralische Pflicht, als ein Mittel, eine gute Stimmung zu verbreiten, Freundschaften und Bündnisse zu pflegen. Schenken war jedoch nicht immer eine einfache Sache, und da Murphy's Gesetz genauso auf den Anamanden als in jeder anderen menschlichen Gesellschaft funktioniert, ging das, was schief gehen muss, auch wirklich schief. Wenn das Rückgeschenk den manchmal inflationären Vorstellungen des Schenkers nicht entsprach, konnten sich schnell Streitereien und Feindseligkeiten entfachen.

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