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Begegnung mit einem "Jivan Mukta" 3

Galaxien oder Milchstrassen sind riesige Sternansammlungen im Weltall, die hunderte von Milliarden Sternen enthalten. Sterne produzieren ihre Leuchtkraft durch nukleare Verbrennung der in sie enthaltenen Materie, vor allem Wasserstoff und Helium. Gleichzeitig erzeugt dieses „Höllenfeuer“ einen Druck nach aussen, der verhindert, dass der Stern unter seiner Schwerkraft zusammenbricht. Wasserstoff wird in Helium umgewandelt, dann verbrennt Helium zu Kohlenstoff, Kohlenstoff zu Sauerstoff und Sauerstoff zu Silizium. An diesem Stadium angelangt, hat der Stern nicht mehr viel Reserven, die er verbrennen kann, zumal das Verbrennen höherer Atomkerne weniger Energie liefert. Irgendwann wird dann der Punkt erreicht, an dem nichts mehr übrig bleibt: Es gibt keine Strahlungskraft mehr, die den Sternkollaps verhindern könnte und der Stern kracht innerhalb von Sekunden in sich zusammen. Bei massenreichen Sternen nimmt bei diesem Vorgang die Dichte des Kerns immer mehr zu, bis zu einem Punkt, an dem er dermassen verdichtet ist, dass die ganze noch auf ihn fallende Materie zurückprallt: Der Stern explodiert, es entsteht eine so genannte Supernova. In diesem Moment produziert der sterbende Stern eine Leuchtkraft, welche diejenige der gesamten Galaxie übertreffen kann. Supernovae sind sehr seltene Phänomene. Gemäss neusten Forschungsergebnissen ereignen sich in einer Galaxie etwa zwei Explosionen alle hundert Jahre. Eine Supernovaexplosion markiert das Ende eines Sternenlebens. Moksha ist der Tod der individuellen Existenz und tritt ein, wenn sämtliches – über unzählige Leben akkumuliertes - Karma verbraucht oder verbrannt ist. Es gibt keinen Impuls mehr, der die individuelle Existenz aufrecht erhalten könnte. In diesem Sinne ist der Jivan Mukta, der von uns sitzt, nur noch eine kosmische Antwort zu den Anliegen der Jivas (individueller Seelen) um ihn herum. Ma Anandamyi hatte ein Mal von sich gesagt, sie sei wie ein Getränkeautomat: Man erhalte von ihr genau das Getränk, welches dem Münzeinwurf (unserem persönlichen Anliegen) entspricht.


Der Vorgang des Erwachens aus dem Traumzustand ist ein spontanes Ereignis. Nun könnte die Vorstellung aufkommen, dass dies beim Auftreten von Moksha ebenfalls der Fall ist. In gewisser Hinsicht ist dies – wie von Swami Krishnananda ausgeführt – effektiv so. Allerdings passiert es nur beim Zusammentreffen einer ganzen Reihe von Bedingungen. Die Erlangung von Moksha ist an sich ein sehr seltenes Phänomen. Noch viel seltener kommt es vor, wenn Menschen Moksha erlagen, ohne speziell dafür etwas getan zu haben. Dies war der Fall bei Ramana Maharshi, der mit sechzehn Jahren von der Erleuchtung sozusagen überrumpelt wurde. Von Ma Anandamayi wird sogar behauptet, dass sie bereits als „Befreite“ zur Welt kam. In aller Regel ist der spirituelle Weg aber mit einem beträchtlichen Ausmass an Anstrengung, Entschlossenheit, Ausdauer, Mut, Beharrlichkeit, Risikobereitschaft und Geschicklichkeit verbunden, denn das Bewusstsein ist schrittweise dem Endzustand zuzuführen, in dem es keine Externalisierung mehr gibt. Wir mögen in unserer gegenwärtigen Kondition Lichtjahre von diesem Zustand entfernt sein, aber wir können wählen, uns auf diesem Weg zu begeben.


Wie gestalten sich die ersten Schritte? Hinweise können in Bezug auf Lebensführung und Verhaltensregeln den Yoga-Sutras von Patanjali entnommen werden. Wichtig sind insbesondere auch Svadhyaya (regelmässiges Studium von Schriften zur Ergründung der Wirklichkeit) und Ishvara Pranidhana (tiefe innere Einstellung, die sich sehnt, vom höhern Selbst erfüllt zu werden). Der Yoga-Weg ist ein Prozess, der nicht im Voraus bestimmt werden kann. Unter anderem ist herauszufinden, welche Art von Yoga für einen selber geeignet ist. Ein weiterer Punkt ist die Klärung der Frage, ob wir einen Meister, einen Guru benötigen, oder ob der Weg alleine beschritten werden kann. Die indische Tradition nimmt hier klar Stellung: Ja, es braucht einen Wegführer. Es wird auch immer wieder betont, dass sich der Meister offenbart, wenn der Schüler bereit ist. Was dann in der Regel passiert, ist eine Initiation, die oftmals mit der Übergabe eines Mantras verbunden ist. Die zyklische Wiederholung des Mantras ist Gegenstand einer täglichen spirituellen Übung (Japa-Yoga). Dabei wird das Mind fokussiert und mit den Energien des jeweiligen Mantras in Verbindung gebracht. Ein weiterer Punkt ist die Frage, wie sich der Prozess im Alltag niederschlägt und vice versa, wie sich der Alltag auf die Praxis auswirkt. Dies dürfte sehr individuell sein. Anfangs wird oftmals eine gewisse Zurückhaltung empfohlen, als Gegenpol zur Betriebsamkeit des Privat- und Berufslebens. Mit der Zeit wird diese aber in die Praxis integriert und zu deren Bestandteil. Es gibt keine Trennung mehr: Der Alltag – auch bis hin zu den bedeutungslosesten Aspekten – ist die Praxis selber und die spirituelle Praxis ist der Alltag. Samsara ist Nirvana und Nirvana ist Samsara. Wenn alles Bewusstsein ist und diese Erkenntnis das Endziel des Yogaweges ist, dann dürfte es nichts mehr geben, dass sich dieser Wahrnehmung entzieht.

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