Es wird behauptet, dass Religion die Antwort in der kulturellen Geschichte der Menschheit ist. Menschen haben sich der Religion zugewendet, wenn sie im Leben schmerzhafte Erfahrungen durchliefen. Aber wir haben Religionen und Religionen. Sie sind wie Berufe im Leben: „Ich gehöre dieser Religion an“ ist das gleiche wie zu sagen: „Ich bin ein Industrieller“, „Ich bin ein Geschäftsmann“, „Ich bin ein Lehrer“ oder „Ich bin ein Maler“. Sie haben ein Geschäft und einen Beruf, so ist Religion auch eine Art Beruf geworden. Man geht zum Tempel, man geht zur Kirche, man hat den Sonntag, man hat den Dienstag und was noch.
Man kann sich mit der Praxis der Religion sehr gut selber täuschen. Und es gibt nichts Einfacheres im Leben als Selbsttäuschung. Es ist sehr einfach, sich als grosser Heiliger auszugeben, ohne dass man sich im Geringsten geändert hat. Die grösste Gefahr im Leben ist Selbsttäuschung. Diese muss nicht notwendigerweise absichtlich sein. In der Regel wird Selbsttäuschung als eine Art Trick verstanden, den man anwendet, um gewisse Ziele zu erreichen. Dies ist nicht immer der Fall. Man kann sich selber täuschen, ohne zu wissen, was geschieht. Wegen einer Verdrängung des Bewusstseins identifiziert man sich mit der Täuschung und wird zur deren Verkörperung. In diesem Sinne kann der Getäuschte nichts dafür, denn die Täuschung geschieht unbeabsichtigt. Sie hat wegen einem überwältigenden Druck des Unterbewusstseins stattgefunden.
Warum geschieht dies? Warum täuschen wir uns und setzen uns einer derartigen Druckwelle aus, die aus der Tiefe des Unbekannten kommt? Der Grund ist, dass wir zu oft übereifrig sind. Wir können sehr ehrlich sein, und trotzdem in einer falschen Art und Weise. Dies ist möglich. Wie gesagt, das Ganze ist schwierig. Wir befinden uns nicht in einem Lustgarten oder in einem Rosenbett - wir befinden uns in einer Situation, in der man jederzeit achtsam sein muss. Und wir müssen warten, dass ein Ereignis stattfindet, anstatt sich egoistisch irgendeiner Art von Erwartung auszusetzen.
Die einzige Sadhana (Askese) die Sie praktizieren können, ist Ihre Persönlichkeit von den Ereignissen zurückzuziehen. Sie sollten sich nicht in irgendeine Situation hineinbegeben und dann Anerkennung erwarten. Die Natur ist sehr spontan in ihrer Handlungsweise. Sie ist nicht künstlich oder ausgeklügelt. mit irgendeiner Erwartungshaltung. So sollten wir der Natur erlauben, in einer spontanen Art und Weise zu handeln. Spontaneität und Egoismus sind Gegensätze. Wo Egoismus ist, da gibt es keine Spontaneität, alles ist Schein und Trug. Wir müssen unsere Persönlichkeit von den Ereignissen des Lebens zurückziehen, die Ereignisse zulassen und diese dann gehen lassen. Wenn Sie ein Bad im Meer nehmen, sollten Sie nicht mit den Wellen kämpfen, Sie sollten die Wellen über Ihren Kopf vorüberziehen lassen, Sie sollten sich nicht gegen sie wenden und veruchen. sie zurückdrücken, denn dann werden sie womöglich in der Lage sein, sie unter Wasser zu ziehen.
Unsere Persönlichkeit ist das Problem. Sie ist die externalisierte Form von dem, was wir als Egoismus des Individuums bezeichnen. Wir haben kein anderes Problem im Leben, als dieses selbstbehauptende Prinzip in uns. Unser Übereifer in irgendeiner Richtung kann uns zum Glauben verleiten, dass wir von dieser Untugend befreit sind. Während man in Verstrickungen mit äussere Gegenständen gefangen werden kann - was der Fall für viele Menschen ist - können wir auch durch das Ego gefangen werden, wie eine Schlange von innen. Eine Person die frei ist von Bindungen zu Gegenständen, kann ein teuflisches Ego in sich selber tragen. Und jemand der versucht, sich vom Ego in sich selber zu befreien, kann sehr wohl der ozeanischen Flut von äusseren Sinnesobjekten zum Opfer fallen. So kann man dem Druck von externen Phänomenen, den Objekten, ausgesetzt sein, oder dem internen Phänomen des Egos. Niemand ist beiden entkommen. Entweder sind Sie hier gefangen, oder dort. Wenn Sie einem entgehen, sitzen Sie im anderen fest. Sie können nicht beiden entkommen, es ist sehr schwierig.
In unserer Praxis von Religion, Philosophie und Spiritualität laufen wir Gefahr, den Einfluss dieser beiden Aspekte der natürlichen Evolution zu unterschätzen. Beides sind Prakriti und Purusha, die auf verschiedene Arten wirken. Gegenstände sind eine Form von Prakriti, das Ego eine Form von Purusha. Gegenstände sind nicht Prakriti und das Ego ist nicht Purusha. Aber eine gewisse Verbindung besteht. Prakriti verfälscht und lokalisiert in Raumzeit sind Gegenstände, Purusha, verfälscht und lokalisiert im Mind, ist das Ego. Prakriti selber kann keine Verstrickung erzeugen, ebenso Purusha nicht. Aber wir begrenzen beide und erschaffen eine neue Realität namens Individuum. Meine Person ist eine Mischung aus Prakriti und Purusha – ein bisschen Prakriti und ein bisschen Purusha. Das bisschen Prakriti ist der Körper und das bisschen Purusha ist das Ego. Beide sind zusammen gekommen und haben einen neuen Haushalt kreiert. Um uns aus dem Samsara zu befreien, müssen wir uns dieses Haushaltes entledigen. Dies ist Sannyasa. Ich erzähle keine neue Philosophie, ich wiederhole nur was Rama vom Weisen Vasistha im Yoga-Vasishta gelehrt wurde.
Samsara ist nicht ausserhalb, sowie auch Moksha nicht ausserhalb ist. Das Gefängnis ist nicht aussen stehend, sowie die Freiheit auch nicht aussen stehend ist. Die Menschheit ist nicht aussen stehend, sowie Gott auch nicht aussen stehend ist. Sie sind eine Anordnung von Umständen. Die Menschheit ist nicht eine Gruppe von Individuen, sie ist eine Anordnung von Umständen. So ist Begrenztheit, so ist Freiheit, so ist sogar Gottesbewusstsein. Es sind Zustände des Seins, es sind keine Vorgänge.